Abenteuer der anderen Art

Putorana-Plateau - klingt ja irgendwie spanisch, noch nie gehört…

Oksana von der vorjährigen Altai-Truppe nannte diesen Namen als ihr neues Ziel. Das machte natürlich neugierig…

Recherche-Ergebnis: Gebirgsplateau, mit ca. 250.000 km2 so groß wie Großbritannien, gelegen im hohen Norden Sibiriens östlich des Flusses Jenissei und der Stadt Norilsk. Dieses sehr schwer zugängige Gebirge begrenzt die Taimyr-Halbinsel im Süden und wird oft als "Land der 10.000 Seen und 1.000 Wasserfälle" bezeichnet.



Die russische Agentur "Russian Discovery" bietet eine Tour an, bei der es ab Norilsk mit dem Hubschrauber 160 km mitten ins Nirgendwo zu einer urigen Touristenbasis "Sewernaja Oikumena" am Keta-See geht. Dort kommen vor allem die Petri-Jünger auf ihre Kosten, aber man kann auch sehr anspruchsvolle Touren ohne jeden Weg oder Pfad durch wildes Gelände zu den Wasserfällen und Bergkämmen der Umgebung unternehmen.


Da siegte mal wieder die Abenteuerlust in mir - kurz entschlossen ging ich es an. Die logistischen Anforderungen waren nicht ganz ohne. Schließlich benötigt man als Ausländer für den Ausgangspunkt Norilsk - wichtige Bergbau- und Industriestadt, zur "giftigsten Stadt Russlands" erklärt - eine Sondergenehmigung. Diese wird erst relativ kurzfristig erteilt, während man sich ja um Visum, Flugbuchung und Überweisung der Reisekosten schon lange vorher kümmern muss.

Irgendwie klappte alles dann doch noch, und unsere Gruppe wartete auf dem kleinen Flugplatz Valjok in Norilsk auf den Hubschrauber zur Touristenunterkunft "Sewernaja Oikumena". Wie sich herausstellte, kannten sich alle 13 anderen bereits als locker organisierte Anglergruppe, die schon in den verschiedensten Regionen ihre Fische aus dem Wasser zog. Sie nahmen mich herzlich in ihren Kreis auf.

Auf dem Rücken ihrer Jacken prangte wie bei einer Rockergang ein eigenes Logo: Der Name ihres Klubs "Áðàòñòâî ãîëüöà" ("Bratstvo Golza" Bruderschaft des Goljez; Golez = Fischart). Er wurde wegen des ähnlichen Klangs vom russischen Titel des 1. Teils der "Herr der Ringe"-Trilogie "Áðàòñòâî êîëüöà" ("Bratstvo Kolza" Kolzo = Ring) abgeleitet.


Nach der Ankunft bei der "Sewernaja Oikumena" - einem einfachen Holzhaus + 4 Blockhütten mitten in der Wildnis - entschied ich mich zusammen mit Mischa und Dima, nicht an einer angebotenen zusätzlichen Tour teilzunehmen, zu der per Hubschrauber die anderen mit ihrer Ausrüstung sofort nochmals ein ganzes Stück weiter an den Oberlauf des Flusses Tokingda transportiert wurden. Ihnen stand ein ganz großes Abenteuer in grandioser Landschaft bevor: 3 Tage Rafting durch wilde Canyons mit Zeltbiwak und Fischfang. Das erschien mir doch eine Nummer zu groß für mich :-(

In diesen ersten Tagen machten wir 3 uns mit dem Chef der Oikumena und seinen 2 verbliebenen Helfern - die anderen 4 waren mit zum Rafting - und der näheren Umgebung bekannt. Ihr Bericht, dass 2 Tage zuvor unmittelbar neben dem Haus ein Bär geschossen wurde, der sich auf der Suche nach leichter Beute einige Nächte in der Nähe herumgetrieben hatte, sorgte bei meiner Solo-Pilzsuche am nächsten Tag für ein etwas mulmiges Gefühl. Sobald man sich wenige Meter vom Haus entfernt, gibt es nur noch weglose Taiga.


Auch Mischa und Dima sorgten für unsere Ernährung und hatten ihre ersten großen Fische gefangen. Frischer und leckerer können Fischgerichte nicht sein! Besonders hatte es mir Sugudaj angetan: Frischer, gesäuberter Fisch ohne Gräten wird in kleinere Stücke geschnitten, gesalzen, gepfeffert und mit Zitronensaft beträufelt und zusammen mit halben Zwiebelringen und Pflanzenöl vermengt, dann etwa 1 h in den Kühlschrank gestellt und schließlich mit etwas grüner Zwiebel serviert. Lecker!!!


Dann die Ankunft unserer Rafting-Helden am Abend des 3. Tages! Nach ihrer Einquartierung - mein Zimmerkollege wurde Igor, der sympathische Chef der Gruppe - sorgte zunächst die Banja für die ersehnte Entspannung. Beim abendlichen Hechtkotelett-Festschmaus lauschten wir dann gespannt ihren Berichten von den überstandenen Strapazen…


Für mich selber war es eine recht ungewöhnliche Situation, ausschließlich von Anglern umgeben zu sein. Aber die unberührte Landschaft ringsum, die pilzreichen, moosigen Wälder, die Flüsse und Wasserfälle, die ich auf einigen Touren zusammen mit einem Begleiter vom Camp teils zu Fuß, teils per Motorboot erkunden konnte, und die Besuche bei 2 in völliger Einsamkeit lebenden Nationalpark-Rangern ließen auch für mich keine Langeweile aufkommen.


So richtig in Sorge kam ich noch einmal am vorletzten Tag, als stürmisches Schlechtwetter keinen Hubschrauberstart zugelassen hätte. Was wäre, wenn es am nächsten Tag genauso aussehen sollte? Nicht auszudenken, denn mein eng gestrickter Zeitplan hätte meine Rückflüge und auch die Gültigkeit meines Visums platzen lassen - in finanzieller und organisatorischer Hinsicht eine Horror-Vorstellung.

Zum Glück hatte der Wettergott ein Einsehen: Rückkehr in die Zivilisation wie vorgesehen, stimmungsvoller Abschiedsabend in einer noblen Norilsker Gaststätte und am nächsten Morgen planmäßiger Abflug in die Heimat.


  Ende gut - alles gut!   



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